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Das deutsche Lieferkettengesetz und die Schweiz

Eine Kolone LKW an der deutsch-schweizerischen Grenze.
Foto: Marcin Jozwiak via Pexels.com

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dieser altbekannte Spruch von Lenin hat im globalen Handel eine neue Dimension erreicht: mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Es gilt seit 2023 und soll sicherstellen, dass grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards eingehalten werden – über den gesamten Produktions- und Handelsprozess. In der Praxis bedeutet dies mehr bürokratischen Aufwand. Und zwar nicht nur in Deutschland (denn es handelt sich um ein deutsches Gesetz), sondern auch in der Schweiz. Was ist jetzt zu tun?

Lieferketten und Sorgfaltspflichten

Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten – kurz: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Lieferkettengesetz oder LkSG – gilt seit Anfang 2023. Es markiert einen einschneidenden Paradigmenwechsel:

  • Bestimmte Arten von Rechtsverletzungen sollen durch das Gesetz nicht mehr nur unternehmensintern verfolgt werden. An den Werkstoren hört die Verantwortung nicht mehr auf. Der Bezug ist jetzt die gesamte Lieferkette.
  • Eine Ordnungswidrigkeit kann allein wegen vernachlässigter Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Kontrolle der Lieferkette vorliegen. Selbst dann, wenn konkret kein Verstoss gegen Menschenrechte in der Lieferkette vorliegt. Fehlende Aufklärung oder Dokumentationspflichten reichen aus.

Im Wesentlichen geht es dabei um den Schutz von Menschenrechten und um die Umwelt, und zwar:

  • Zwangsarbeit, Ausbeutung und Kinderarbeit,
  • Verstösse gegen die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz,
  • Umweltrelevante Aspekte (zum Beispiel Treibhausgase, Gefährdung der biologischen Diversität und Zerstörung von Ökosystemen).

Der Sinn des Gesetzes liegt also darin, langfristig und umfassend einheitliche, gerechte und menschenrechtskonforme Produktions- und Handelsbedingungen zu schaffen. Der Hebel, um dieses Ziel zu erreichen, sind Informationspflichten für grosse Unternehmen: Sie müssen entlang der gesamten Lieferkette prüfen, dass bestimmte Vorgaben eingehalten werden.

Ein Verstoss gegen Aufklärungs- oder Sorgfaltspflichten mit Bezug auf die oben genannten Themen wird mit hohen Geldbussen geahndet – die bei sehr grossen Unternehmen bis zu 2 Prozent des Jahresumsatzes betragen können (§ 24 Abs. 11 Satz 1 LkSG). Und damit nicht genug: Neben Reputationsverlusten droht auch der Ausschluss von lukrativen öffentlichen Aufträgen. Das neue Gesetz ist also mehr als eine blosse Formalität. Es birgt Risiken bei Nichtbeachtung.

Allerdings werden zivilrechtliche Haftungen durch das neue Gesetz nicht neu begründet. Es geht allein um neue Aufklärungs- und Dokumentationspflichten, deren Missachtung zu Geldbussen führen können.

Relevanz des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes für Schweizer Unternehmen

Weil die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und der Schweiz sehr gross sind, müssen auch Schweizer Betriebe das neue deutsche Lieferkettengesetz beachten. Was bedeutet das neue deutsche Gesetz für Schweizer Unternehmen? Es hat unmittelbare Rechtswirkungen, wenn

  • das Unternehmen eine unselbstständige Zweigniederlassung in Deutschland hat,
  • die dort mehr als 3.000 bzw. (ab 2024) mehr als 1.000 Menschen beschäftigt.

Aber ein Schweizer Unternehmen kann auch indirekt von den Vorschriften des deutschen LkSG betroffen sein, wenn es selbst ein deutsches Unternehmen beliefert oder Teil einer grösseren Lieferkette ist, die in Deutschland endet. Deutsche Unternehmen können dann einige Pflichten auf die Zulieferer verlagern. Ein Beispiel:

  • Das Schweizer Unternehmen S beliefert das grosse deutsche Automobilunternehmen D mit Ersatzteilen.
  • D kann in seinen Lieferverträgen mit S spezifische Anforderungen bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards festlegen.
  • S müsste an D detaillierte Informationen zu seinen betriebsinternen LkSG-relevanten Umständen und denen seiner Lieferanten zur Verfügung stellen. S könnte auch dazu aufgefordert werden, Audits oder Überprüfungen zuzustimmen, die die Standards entlang der Lieferkette überprüfen.

Im Wesentlichen wird es hier auf eine gute Kommunikation mit deutschen Unternehmen ankommen. Gemeinsam sollte ein Weg gefunden werden, die neuen Arbeitslasten durch das deutsche Lieferkettengesetz vernünftig und gerecht zu verteilen.

Konkrete Durchsetzung des Lieferkettengesetzes: Was ist jetzt zu tun?

Das Lieferkettengesetz erfordert mehr bürokratischen Aufwand für Unternehmen. Es macht betriebsintern einige Veränderungen nötig. Beispiele:

  • Anpassung des bestehenden Risikomanagements an die LkSG-Vorgaben
  • Festlegung einer unternehmensinternen Zuständigkeit
  • Regelmässige Risikoanalysen
  • Veröffentlichung einer Grundsatzerklärung des Unternehmens zur eigenen Menschenrechtsstrategie
  • Prävention und Abhilfemassnahmen
  • Einrichtung eines Verfahrens zur Behandlung von Beschwerden
  • Dokumentation und jährliche Berichte

Um die betriebsinterne Zuständigkeit für die Belange des Lieferkettengesetzes zu klären, kann zum Beispiel ein Menschenrechtsbeauftragter im Unternehmen ernannt werden. Das Risikomanagement dagegen sollte sich Fähigkeiten aneignen, riskante Bereiche innerhalb bestehender und zukünftiger Lieferketten sicher und zeitnah zu identifizieren.

Was ist zu tun, wenn bei Überprüfungen tatsächlich Verstösse innerhalb der eigenen Lieferkette aufgedeckt werden? Hier geht es um Abhilfemassnahmen. Das können direkte Gespräche sein – mit dem Ziel, die Missstände innerhalb einer angemessenen Frist zu beheben. Aber auch die Kooperation mit Firmen, NGOs oder lokalen Behörden sind erfolgversprechende Strategien.

  • Wenn schwerwiegende Menschenrechtsverstösse vorliegen und keine Aussicht auf Verbesserung besteht, kann das Unternehmen die Geschäftsbeziehung mit dem betreffenden Lieferanten beenden.
  • Das sollte allerdings nur das letzte Mittel sein, wenn andere Massnahmen keinen Erfolg haben.

Praktisch bedeutsam für die betroffenen Unternehmen ist auch die jährliche Berichtspflicht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie die Grundsatzerklärung und die Kommunikation des Beschwerdemanagements auf der Website des Unternehmens.

Lieferkettengesetz EU und deutsches Lieferkettengesetz

Das deutsche Gesetz setzt bestehende EU-Vorgaben um. Innerhalb der Europäischen Union werden zurzeit neue Regelungen diskutiert, die für alle Mitgliedstaaten verbindlich sein sollen. Und hier sieht es so aus, dass die Vorgaben für Unternehmen noch strenger werden.

Aber das ist bisher noch Zukunftsmusik. Denn es handelt sich im Moment nur um eine Richtlinie, die noch nicht in Kraft ist. Erst durch die Umsetzung in nationales Recht würde ein Lieferkettengesetz EU verbindlich. Zunächst gilt also das aktuelle deutsche Lieferkettengesetz. Und an das müssen sich unter bestimmten Umständen auch Schweizer Unternehmen halten.

Eine weitere Unsicherheit: Die Diskussion in Deutschland ist in vollem Gang. Beklagt wird der bürokratische Aufwand und die damit verbundene schlechtere Wettbewerbsfähigkeit für deutsche Unternehmen. Es ist möglich, dass das Lieferkettengesetz noch im Jahr 2024 in entscheidenden Punkten aufgeweicht wird – glaubt man den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch nichts ist sicher. Sogar der deutsche Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ist skeptisch. Seine Antwort auf die Ankündigung des Bundeskanzlers: „Ich glaube Ihnen das, wenn die Tinte trocken ist und es bei mir auf dem Lieferschein steht.“

Unser Fazit: Mehr Aufwand – aber für einen guten Zweck

Auch wenn Schweizer Unternehmen nicht direkt an das deutsche LkSG gebunden sind (wenn sie zum Beispiel über keine Filialen in Deutschland verfügen), können sie durch Geschäftsbeziehungen mit deutschen Unternehmen durchaus davon betroffen sein. Das bedeutet für die meisten grösseren Schweizer Unternehmen mehr Aufwand, der sich allerdings bewältigen lässt. Denn für die Beratung zu diesem Thema und das Outsourcing dieser Tätigkeit – soweit dies zulässig und möglich ist – gibt es bereits eine Vielzahl von Anbietern.

Wichtig ist es, am Ball zu bleiben und die aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland zu beobachten. Die gegenwärtige Regierung in Deutschland hat Anpassungen des Gesetzes verkündet, die sich zum Beispiel auf die Anzahl der betroffenen Betriebe auswirken könnten.

Quellen:

 

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